Wer schon einmal versucht hat, einen Zebrastreifen durchzusetzen, wird häufig an einer (gläsernen) Wand gescheitert sein: "Das geht nicht. Hessen mobil erlaubt das nicht. Der Bürgermeister bzw. die Stadt Königstein kann da nichts machen."
Aber das stimmt nicht. Doch von Anfang an. Denn es gibt eine Geschichte dazu: Am 16.12.2011 wurde auf Höhe der Bushaltestelle Fleiderbusch in Schneidhain eine Frau überfahren, als sie morgens, es war noch dunkel und es hatte geregnet, die Straße überqueren wollte. Sie starb noch an der Unfallstelle.
Dazu schrieben wir (mein Mann und ich) einen Leserbrief:
…aber man ist wohl teilweise aufgewacht. Wir haben am 8.12.2011, also schon acht Tage vor dem schrecklichen Unfall in Schneidhain, eine E-Mail an den Magistrat geschickt (frei gekürzt):
„Die derzeitige Situation an der B455 ist derzeit unbefriedigend und gefährlich.
In der Wiesbadener Straße in Schneidhain zwischen dem Zebrastreifen und der scharfen Kurve ist einseitig das Parken auf dem Gehweg erlaubt. An vielen Stellen reduziert sich durch dort parkende Autos die Gehwegbreite teilweise auf nur noch 20-30 cm. Hier ist Schulweg auf beiden Seiten in beiden Richtungen (Grundschule, Bushaltestelle und Bahnhof), die Schulkinder und Fußgänger müssen dadurch entweder die Straße an ungeeigneten Stellen queren oder die parkenden Fahrzeuge auf der Fahrbahn umgehen. Ein Zebrastreifen zwischen Bushaltestelle und Kurve und ein weiterer am Ortsausgang Richtung Königstein, Ecke „An den Geierwiesen“, würden die Fußgängergefährdung deutlich reduzieren!
Der Magistrat wird aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die geltenden Vorschriften der StVO eingehalten werden, und dass Parken nur dort gestattet wird, wo die Breite des Gehwegs ausreichend ist, und sich auch für die Einrichtung von zusätzlichen Zebrastreifen einzusetzen.“
Außerdem ging es in der E-Mail auch um das Parken auf der B455 im Kurvenbereich zwischen Schneidhain und Königstein, das nicht nur eine hohe Verkehrsgefährdung verursacht, sondern auch bei viel Schnee lange Staus bis in die Mitte von Schneidhain produziert.
Eine endgültige Antwort haben wir bis heute nicht bekommen, allerdings eine Reaktion am 30.12.2011: „[…] Wir stehen […] mit der […] zuständigen Straßenverkehrsbehörde […] in Verbindung, um das zulässige Parken im Verlauf der B 455 zwischen Schneidhain und Königstein zu prüfen. Dabei werden wir auch Ihren Hinweis auf das Gehwegparken in der Ortsmitte erörtern. Über das Ergebnis erhalten Sie Nachricht.“
Zu den Zebrastreifen erhielten wir auf telefonische Nachfrage die Auskunft, dass es einen Erlass der Landesregierung gebe (www.fussverkehr.de/fileadmin/pdf/Hessen.pdf). Unserer Ansicht nach erlaubt dieser Erlass definitiv weitere Zebrastreifen oder zumindest „Querungshilfen“ oder Fahrbahnteiler in Schneidhain. Auch die fehlende Frequenz an Fußgängern an der Einmündung der Geierwiesen kann kein Argument sein, um diese wissentlich zu gefährden, zumal hier an der Wiesbadener Straße ein Gehweg nur auf einer Seite vorhanden ist. Hier ist also der Magistrat gefordert. Es geht alles, wenn der politische Wille da ist, und sich die Kommunalpolitiker nicht von Behörden Bange machen lassen. Bislang fehlte hier wohl die nötige Durchsetzungskraft gegenüber der übergeordneten Behörde, wir hoffen sehr, dass sich das ändert.
Soweit der Leserbrief.
Vor einigen Jahren hat wohl eine Arbeitsgruppe existiert, die sich mit diesem Thema befasst und außerdem bei der Linde (Ecke Wiesbadener Straße/Milcheshohl) einen zweiten Zebrastreifen gefordert hatte. Beide Zebrastreifen wurden mit den Argumenten „zu dicht aufeinander“ und „direkt vor/nach Kurven“ bzw. „Bundesstraße“ abgelehnt.
In Königstein herrscht anscheinend die Auffassung vor, dass Zebrastreifen zum einen von Hessen mobil genehmigt werden müssten und zum anderen, dass sie nicht fast überall machbar wären. Im folgenden will ich das Gegenteil belegen. Zuerst müssen wir uns aber durch die einschlägigen Vorschriften und Gesetze quälen. Wir fangen mit den am weitesten "oben" sitzenden an.
Natürlich habe ich mir auch Gedanken gemacht, wo ich Zebrastreifen = Fußgängerüberwege (FGÜ) für sinnvoll erachte. Es sind dies folgende Stellen:
a. Über die B455 in Höhe der Einmündung der Straße An den Geierwiesen (bei Gartenbau Lebensbaum),
b. Bei den Bushaltestelle Am Fliederbusch an der B455 (Höhe Michas Lädchen), wo bereits eine Person tödlich verunglückte,
c. An der Einmündung der Straße Am Erdbeerstein in die B455 (Schulweg),
d. Am Ortsausgang Richtung Fischbach beim Waldweg (zusätzlicher Fußweg bis Waldweg notwendig).
Auf diese Stellen komme ich am Ende wieder zurück.
Die Straßenverkehrsordnung macht für Zebrastreifen keinerlei Vorgaben, sie regelt nur das Verhalten der Verkehrsteilnehmer.
Die VwV macht Ver- bzw. Gebote und gibt Einschätzungsempfehlungen. Die Empfehlungen können also übergangen werden, wenn es das Erfordernis dazu gibt. Hier in Schneidhain in Betracht kommende Verbote:
Hier in Schneidhain in Betracht kommende Empfehlungen:
Sie schreibt ganz klar außerdem:
Wichtig: Hier steht überall "sollten" und nicht "dürfen nur, wenn" oder "dürfen nicht". Diese Wortwahl ist beileibe keine Haarspalterei, sondern simples und übliches wortgenaues Lesen, wie es bei Gesetzestexten und Vorschriften etc. üblich ist.
Exkurs:
Wie lese ich Gesetzestexte? Es kommt immer auf den genauen Wortlaut an! Es kann z.B. etwas in einem Text verboten oder erlaubt werden. Es gibt Kann- und Muss-Vorschriften; außerdem kann auch etwas empfohlen werden. Ist etwas verboten, dann ist es nicht erlaubt. Ist etwas erlaubt, dann ist es nicht verboten. Wenn etwas empfohlen wird, dann ist es kein Muss. Ein Muss ist verbindlich. Wenn aber etwas erlaubt ist, dann ist das Gegenteil nicht automatisch verboten und umgekehrt.
Manchmal ist es etwas schwierig, einen Text genau zu verstehen. Dann hilft es, wenn man den Wortlaut nimmt und das Thema durch z.B. "Äpfel essen, Gesundheit" oder "Gift essen, Tod" (je nach Erlaubnis/Verbot) ersetzt.
Beispiel:
ergibt "übersetzt" etwa:
Daraus ergibt sich dann recht schnell, was hier gemeint ist: Äpfel essen ist gut, man muss aber nicht Äpfel essen, man sollte aber unter gewissen Rahmenbedingungen. Wenn man aber möchte, kann man auch schon früher Äpfel essen, denn das wird nicht verboten.
Das bedeutet, dass nur empfohlene FGÜ vom Baulastträger (in unserem Fall der Landkreis bei Land-/Kreisstraßen oder Hessen bei Bundesstraßen oder Autobahnen) zu zahlen sind.
Mögliche FGÜ dagegen werden immer vom Auftraggeber (Dritten) bezahlt, das wäre hier Königstein selbst.
Analog der VwV trifft die R-FGÜ die gleichen Regelungen, präzisiert sie aber. Hier die für Schneidhain wichtigen Ver- bzw. Gebote:
Zu den Verkehrsstärken ist festzustellen, dass alle vier wünschenswerten Orte eher nicht den empfohlenen Fußgängerzahlen von mindestens 200 Personen pro Stunde entsprechen. Allerdings können dann trotzdem FGÜ „in begründeten Ausnahmefällen angeordnet werden.“ Die R-FGÜ empfiehlt bei sehr geringen Fußgängerzahlen eher Querungshilfen, welche allerdings an allen Orten, mit Ausnahme der Stelle bei Seeger, unmöglich sind, da die Straßenbreite dies nicht zulässt. Entsprechend einer Untersuchung aus NRW (nächster Abschnitt) werden bauliche Maßnahmen, also Kombinationen von FGÜ mit Querungshilfe, erst ab 5,50 m Straßenbreite empfohlen.
Liest man sich die genannte Untersuchung durch, so fällt auf, dass hier mehrfach FGÜ an Stellen gebaut wurden, an denen die Spitzenfußgängerzahl weit unter 100 pro Stunde lag. (In einem Fall sogar 350 Fahrzeuge pro Stunde, aber nur 14 Fußgänger pro Stunde Spitzenwert.) Alle Beispiele wurden auf Straßen angebracht, deren Spitzenbelastung bei 350 – 1.600 Fahrzeugen pro Stunde lag. (Zum Vergleich Spitzenbelastung Schneidhain ca. 500.) Etwa 80 % aller Unfälle mit Fußgängerbeteiligung finden aber innerhalb geschlossener Ortschaften bei der Überquerung der Fahrbahn statt.
Zebrastreifen wurden früher eher wenig eingesetzt, da man annahm, dass sie weniger verkehrssicher seien, weil sie Fußgänger zum Laufen über die Fahrbahn ohne Rücksicht auf die KFZ ermuntern würden. Zudem verhinderte auch die strenge Auslegung der R-FGÜ den Bau von Zebrastreifen. Zitat:
„Der Gesichtspunkt, auch einzelnen Fußgängern eine sichere Überquerung der Fahrbahn zu ermöglichen, blieb zudem weitgehend unberücksichtigt.“ [Die Untersuchung zeigt] „auf, dass Fußgängerüberwege […] eine sichere und kostengünstige Alternative zur Sicherung von Fußgängerquerungsstellen darstellen und zwar unabhängig von den in den R-FGÜ vorgegebenen Einsatzgrenzen.“
Die Untersuchung kommt zu folgenden Ergebnissen:
Die ganzen Vorschriften verbieten FGÜ nicht, wenn die Fußgängerzahlen bzw. die KFZ-Stärken nicht ausreichen!
Kommen wir also auf die vorgenannten Stellen für FGÜ zurück:
1. Höhe Einmündung der Straße An den Geierwiesen (Gartenbau Lebensbaum): Zebrastreifen.
Es ist eine anspruchsvolle Stelle, da auf der Seite der Geierwiesen der Fußweg fehlt. Umsetzbar ist diese Stelle aber spätestens dann, wenn die Feuerwehr umgezogen ist. Der FGÜ muss evtl. durch zusätzliche Schilder vor den Kurven auf beiden Seiten angekündigt werden.
2. Bushaltestelle Am Fliederbusch an der B455 (Michas Lädchen): Zebrastreifen
Nach einem Gerichtsurteil ist einem Fußgänger allerdings nur ein einfacher Weg bis zur FGÜ von 25 m zuzumuten, ist die Entfernung größer, darf er, ohne Konsequenzen auf etwaiges Mithaften bei einem Unfall befürchten zu müssen, die Straße auch so queren.
3. Einmündung Straße Am Erdbeerstein in die B455 (Schulweg): Zebrastreifen
Dies ist die einfachste Stelle. Sie würde auch das Queren der Mitarbeiter von Donath und Seeger zum Supermarkt, z.B. in der Mittagspause, erleichtern. Ausreichend Platz ist vorhanden. Sie "beißt" sich übrigens auch nicht mit dem Fahrbahnteiler weiter westlich in Richtung Kelkheim: Dieser wurde nicht wegen der Fußgägner angelegt, sondern zur Verkehrsberuhigung. Dass dies nur bedingten Effekt hatte - Raser fahren einfach auf der Gegenfahrbahn nach Schneidhain hinein! - sieht man daran, dass hier eine Blitzer gebaut wird, der Sockel steht bereits.
Hier wäre ein zusätzlicher Fußweg auf der Seite von Seeger bis zum Waldweg notwendig. Vorhandene Querungshilfe/Verschwenkung zwischen Seeger und Erdbeerstein könnte entfallen oder bestehen bleiben, denn sie dient in erster Linie nicht der Überquerung für Fußgänger, die queren meist woanders, sondern der Verkehrsberuhigung!
Halten wir also fest: Nach Studium der Vorschriften wären also Zebrastreifen sogar alle 50 m, wenn wir (die Gemeinschaft) das so wollen, möglich. Das hat eine Gemeinde sogar einmal an einer Bundesstraße so gemacht, als sie keine Tempo-30-Genehmigung vom Land bekam. (Leider finde ich die Quelle dazu nicht mehr, sorry.) Inzwischen ist aber Hessen mobil nicht mehr abgeneigt gegen Tempo 30 auf Bundesstraßen in Ortsdurchfahrten.
Da wir immer wieder mit unseren Ideen Gegenwind bekamen, haben wir angefangen rumzutelefonieren und uns Informationen von anderen - übergeordneten Stellen! - zu holen.
Dabei bekamen wir folgendes heraus:
Die anordnende Behörde eines FGÜ - egal wo - ist:
Königstein hat aber rund 16.000 Einwohner. Das bedeutet, dass in unserem Fall die anordnende Behörde der Landrat ist.
Also riefen wir im Landratsamt an und bekamen folgende (sinngemäße) Auskunft:
Wenn Königstein das will, dann machen wir das. Der Bürgermeister von Königstein muss das entsprechend beim Landratsamt beantragen und begründen. Im allgemeinen wird diesen Anträgen nicht widersprochen, denn die Bürgermeister wissen meist besser, was sie benötigen, als das Landratsamt.
Ausführende Stelle ist dann Hessen mobil. Die müssen, wenn es ihnen vom Landrat aufgetragen wird. Hessen mobil kann hier nichts verbieten oder gar genehmigen, es sei denn, es widerspricht den Vorschriften oder Gesetzen. Und dass es das hier nicht tut, habe ich oben lang und breit bewiesen. Das wiederum hat uns auch ein Vorgesetzter bei Hessen mobil (etwa Gebietsleiter-Ebene) mehrfach (!) bestätigt.
Interessant wird es dann bei den Kosten. Wer bezahlt den Zebrastreifen? Wenn es nach Königstein geht, natürlich am liebsten wahlweise der Kreis oder das Land. Nun ist es aber so, dass die nur dann zahlen, wenn sie müssen. Nur weil Königstein etwas möchte, zahlen die nicht, dann muss Königstein selber zahlen.
Da aber alle vorgeschlagenen FGÜ keine notwendigen-Muss-FGÜ sind, sondern nur Wunsch-FGÜ, muss also Königstein zahlen.
Wenn also behauptet wird, dass zusätzliche FGÜ in Königstein nicht möglich sind, dann ist das entweder gelogen oder insofern wahr, als sich der Bürgermeister, evtl. auch der Magistrat, dagegen sperrt, es also politisch nicht gewollt ist. Aber dann Vorschriften und Gesetze als Entschuldigung vorzuschieben, ist meiner Ansicht nach einfach nur armselig und verlogen und zeugt nicht von menschlicher Größe.
Das ist nun ein harter Vorwurf, dessen bin ich mir bewußt. Allerdings haben wir wiederholt beim Bürgermeister und anderen Stellen nachgefragt und niemand bzw. niemals wurde uns gegenüber z.B. ein erfolgter Antrag von Königstein und ein ablehnender Bescheid zu irgendeiner sinnvollen Stelle im gesamten Stadtgebiet (!), der vielleicht sogar hinreichend Rückschlüsse auf mögliche andere Stellen zulässt, auch nur erwähnt! Ich verlange ja nicht viel und ich würde sofort den Vorwurf zurückziehen, wenn ich nur annehmen könnte, dass es hier tatsächlich noch weitere Argumente geben könnte. Auch auf Facebook gab es diese Diskussionen, teils auch mit dem Bürgermeister, teils mit der Pressestelle, von der ich annehme, dass sie qua Amt bestens unterrichtet ist bzw. sein muss. Es wurde jedoch immer nur windmühlenartig wiederholt, dass FGÜ "...nicht erlaubt" oder "...nicht genehmigungsfähig von Hessen mobil" (jeweils sinngemäßes Zitat) seien. Und beides stimmt eben nicht.
Untersuchung des Landes Nordrhein-Westfalen: „Empfehlungen zum Einsatz und zur Gestaltung von Fußgängerüberwegen – Erfahrungen aus dem Modellversuch“: http://www.fussverkehr.de/fileadmin/pdf/Empfehlungen_Ueberwege.pdf
StVO, § 26: http://dejure.org/gesetze/StVO/26.html
VwV-StVO, zu § 26: http://bernd.sluka.de/Recht/StVO-VwV/VwV_zu_26.txt
R-FGÜ 2001: http://bernd.sluka.de/Recht/rfgue/rfgue.html
Hessen Mobil, Wiesbaden, rhein-main@mobil.hessen.de